Planung des Lebenszyklusmanagements – Top Down

Beteiligte Rollen Experten aus Portfolio- und Produktmanagement (strategische und operative Abteilung)
Inputs
  • Dynamische Einflussfaktoren
  • Änderungsprioritätszahlen (APZ)
  • High-Level-Roadmap
  • Richtlinien für Variantenmanagement
  • Aufbauorganisation des betrachteten Produktbereichs
  • Liste allgemeiner VSM Funktionen
Outputs
  • Kontextspezifische Kontrollfunktionen
  • In bestehende Strukturen integrierbarer Kontrollmechanismus basierend auf Prinzipien des VSM
Eingesetzte Methoden

Die vorgestellte Roadmapping-Methode auf strategischer Ebene ermöglicht es, funktionale Änderungen basierend auf definierten Zeitpunkten und determinierter Flexibilität zu planen. Unbeantwortet bleibt bisher allerdings die Frage, wie auf unvorhergesehene Umweltereignisse reagiert werden kann, die eine Anpassung des Plattformsystems im Laufe dessen Lebenszyklus (vgl. Abb. 4.9) erfordern könnte. Aus diesem Grund wird in dieser Phase das Lebenszyklusmanagement (LZM) für Plattformsysteme adressiert. Das LZM zielt darauf ab alle im Laufe des Lebenszyklus generierten Daten und Informationen zu integrieren und daraufhin die Plattform zu optimieren. Dafür wird ein Kontrollmechanismus auf Basis des Viable System Models (VSM) LINK eingeführt, der eine zielgerichtete und schnelle Adaption des Plattformsystems ermöglichen soll. Die Anpassungen werden primär über eine aktualisierte High-Level-Roadmap eingesteuert. Ergänzend dazu werden im Folgenden Maßnahmen zur Erfolgskontrolle des Variantenspektrums sowie zur Bestimmung von Aufwänden und Komplexitätskosten von Variantenänderungen beschrieben. Diese unterstützen das LZM aus der Bottom-Up-Perspektive.

Abb. 4.9 Lebenszyklus einer Plattform

Das Viable System Model (VSM)

Unternehmen ringen angesichts zunehmender Komplexität aufgrund externer Einflüsse und interner Prozesse nach neuartigen Organisationsstrukturen. Diesbezüglich bieten Methoden aus dem Bereich der Management-Kybernetik vielversprechende Möglichkeiten, welche Unternehmen bei Problemstellungen in einem dynamischen Umfeld unterstützen. Die zentrale Methode ist das von Stafford Beer begründete Viable System Model (VSM↗). Es wird für den hier vorgestellten Kontrollmechanismus von Plattformen verwendet und im Folgenden kurz erläutert.

Das VSM verfolgt im Gegensatz zu den üblicherweise verwendeten hierarchischen Organisationsmodellen einen rein auf Funktionalität ausgelegten Ansatz. Fünf Systeme (S1-S5) erfüllen dabei grundlegende Hauptfunktionen:

  • S5–Identität: Gibt Werte und übergeordnete Ziele der Organisation vor.
  • S4–Intelligenz: Plant die zukünftige Strategie, basierend auf den Rahmenbedingungen aus S5 und überwacht Umwelteinflüsse.
  • S3–Kontrolle: Überwacht Ressourcenverwendung in aktuellen Prozessen und auditiert Tätigkeiten in S1; verhandelt mit S4 bei nötigen Änderungen.
  • S2–Koordination: Steuert die Selbstorganisation zwischen den S1 Einheiten.
  • S1 – Operationale Einheiten: Hier wird der Zweck der Organisation in operative Tätigkeiten umgesetzt.

Die Systeme S3, S4 und S5 bilden das Management im VSM (siehe Abb. 4.10, links). Die einzelnen Systeme S1-S5 sind mit Kommunikationskanälen miteinander verbunden und regulieren sich gegenseitig durch Rückkopplung. Jede operationale Ebene S1 besitzt rekursiv wiederum ein eigenes Management mit darunterliegenden operationalen Einheiten (vgl. Abb. 4.10, rechts). Diese wiederkehrende Struktur ermöglicht ein autonomes Arbeiten der einzelnen Rekursionsebenen innerhalb der gegebenen Richtlinien von übergeordneten Rekursionsebenen.

Abb. 4.10 Struktur des Viable System Models nach Stafford Beer (li.) und Rekursionsebenen (re.)

Durch das Prinzip der Autonomie jedes einzelnen Viable Systems in S1 wird nur bei nicht selbstregulierbaren Problemen die nächsthöhere Ebene informiert. Die Informationsvielfalt hin zu höheren Systemen (z. B. von S1 nach S3) innerhalb der Rekursionsebenen wird dabei ebenso wie hin zu höheren Rekursionsebenen (z. B. Ebene 2 zu Ebene 1) reduziert, bzw. andersherum verstärkt. Diese Prinzipien der Autonomie, Selbstregulierung, Rückkopplung und Informationsreduktion bzw. -verstärkung über integrierte Kommunikationssysteme sind wichtige Eckpfeiler zur Komplexitätsbeherrschung in dieser funktional ausgerichteten Organisation.

Entwicklung eines Kontrollmechanismus für das Lebenszyklusmanagement von Plattformsystemen

Das VSM mit seinen allgemeinen Funktionen dient als Ausgangspunkt für ein strategisches Lebenszyklusmanagement (LZM) von Plattformen. Bestehende Strukturen in Organisationen sind oft über mehrere Jahre gewachsen und verfügen häufig bereits über Funktionen, welche auch für das VSM benötigt werden. Trotz der Notwendigkeit neuer Organisationsmodelle zeigen Unternehmen meist eingeschränkte Bereitschaft, die existierenden Strukturen während des laufenden Geschäftsprozesses auszutauschen. Daher liegt das Ziel bei der Erstellung eines Kontrollmechanismus für das LZM von Plattformsystemen darin, die Integrierbarkeit des Mechanismus in bereits bestehende Prozesse und Strukturen zu gewährleisten. In Abb. 4.11 sind die Prozessschritte zur Erstellung eines Kontrollmechanismus dargestellt. Darin existiert die Unterteilung in eine abstrakte kybernetische Ebene, welche die Eigenschaften des VSM adressiert, und in die zugrunde liegende Organisationsebene bestehender Hierarchien und Strukturen. Zur Erstellung eines Kontrollmechanismus wird zuerst in den Schritten 1-4 die organisatorische Gestaltung vorgenommen, bevor der eigentliche Kontrollprozess in Schritt 5 definiert werden kann.

Abb. 4.11 Methodisches Vorgehen zur Erstellung eines Kontrollmechanismus für LZM von Plattformen

Organisatorische Gestaltung für das LZM von Plattformsystemen:

Schritt 1: Zu Beginn werden die aktuell bestehenden Prozesse und Zuständigkeiten für einzelne Tätigkeiten im Unternehmen analysiert. Basierend auf dieser Analyse wird die Struktur mit dem idealen VSM verglichen und so das Unternehmen als Viable System modelliert.

Schritt 2: Dieser Schritt findet nur statt, falls im Unternehmen bereits Funktionen zur Überwachung des Plattformsystems vorhanden sind. Diese bestehenden Funktionen und Aufgaben für das LZM werden analysiert und mit einer Liste mit generischen Funktionen der einzelnen Systeme S1-S5 aus der VSM-Literatur abgeglichen.

Schritt 3: Die allgemein für ein VSM benötigten Funktionen werden in diesem Schritt in kontextbezogene Kontroll-Funktionen übersetzt. Diese umfassen Funktionen, die für einen Kontrollmechanismus im Kontext von LZM von Plattformsystemen im betrachteten Unternehmen notwendig sind. Dies findet in einem Workshop mit betroffenen Fachbereichsleitern aus den strategischen Abteilungen statt.

Schritt 4: Die in Schritt 3 abgeleiteten Kontrollfunktionen für LZM von Plattformen werden den bestehenden Teams und Abteilungen der Organisation zugeordnet. Als zusätzlicher Input dient die Abbildung der bestehenden Organisation als VSM aus Schritt 1. Für die Zuordnung der einzelnen Funktionen kann z. B. eine Domain Mapping Matrix (DMM, siehe Multiple Domain Matrix↗) verwendet werden.

Gestaltung des Kontrollprozesses für das LZM von Plattformen

Schritt 5: Die in Schritt 3 abgeleiteten Funktionen der einzelnen VSM-Systeme für das LZM von Plattformen werden in diesem Schritt in einem funktionalen Prozess angeordnet. Die Funktionen werden dabei zuerst in die drei Kategorien normatives, strategisches und operatives Management eingeteilt und anschließend in eine logische Abfolge gebracht. Dieses Vorgehen zur Erstellung des Kontrollprozesses wird im folgenden Unterkapitel genauer erläutert.

Schritt 6: Damit der Kontrollprozess in der Praxis funktionieren kann, müssen Indikatoren (Key Performance Indicators – KPIs) definiert werden. Sie dienen der Leistungskontrolle und sind eine Messgröße für die aktuelle und künftige Entwicklung von erfolgsrelevanten Prozessen. KPIs werden aus strategischen Zielen und kritischen Erfolgsfaktoren einer Organisation abgeleitet, ständig überprüft und weiterentwickelt.

Vorgehen zur Ableitung des Kontrollprozesses

In diesem Abschnitt wird das Vorgehen zur Ableitung des funktionalen Kontrollprozesses eingehender beschrieben (siehe Abb. 4.12).

Abb. 4.12 Detailliertes Vorgehen zur Ableitung des funktionalen Kontrollprozesses (Schritt 5)

Schritt 5a: Grundlage für die Entwicklung des Kontrollprozesses sind die kontextbezogenen Funktionen des VSM, die in Schritt 3 in Experten-Workshops abgeleitet wurden. Diese Funktionen der jeweiligen Systeme S1-S5 gemäß VSM werden anschließend in die Kategorien normatives, strategisches und operatives Management eingeteilt. Die Einteilung bildet eine Aufteilung in die Kontrolle von externen (strategisch) und internen Einflüssen (operational), welche wiederum generelle Ziele (normativ) beeinflussen können.

Schritt 5b: Nach der Grobeinteilung folgt die detaillierte Anordnung der einzelnen Funktionen zu einem Gesamtablauf. Zur Darstellung wird die Methode der ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK↗) verwendet, da diese eine praxisgetreue Abbildung des Kontrollprozesses sowie möglicher auftretender Ereignisse erlaubt. Im Rahmen von Workshops mit Mitarbeitern der strategischen Abteilungen werden die noch abstrakten kontextbezogenen VSM-Funktionen iterativ in Teilprozesse detailliert. Dieses Vorgehen des Anordnens und Erweiterns von Teilprozessen wird so lange durchgeführt, bis der Kontrollprozess mit allen notwendigen Rückkopplungen und möglichen Ereignissen stimmig erscheint.

Schritt 5c: Der entworfene Kontrollprozess wird in einem Workshop überprüft, indem der Prozess auf logische Fehler (z. B. logische Operatoren und Verweise zu Subprozessen) untersucht wird. Außerdem wird in dem Workshop Feedback von Plattformsystemexperten der betrachteten Organisation eingeholt. Die Verbesserungsvorschläge werden sukzessive in den Kontrollprozess integriert.

Schritt 5d: Die Schritte 5b und 5c werden in mehreren Iterationen durchgeführt, was zu einer stetigen Verbesserung des Kontrollprozesses führt.

Schritt 5e: Nach mehreren Iterationen von Funktionsanordnung, -erweiterung und Prozessvalidierung entsteht ein funktionaler Kontrollprozess.

Um einen realen Kontrollmechanismus in einer Organisation abzubilden, sind die beschriebenen Vorgehensschritte 5a-5e für mehrere Rekursionsebenen durchzuführen (vgl. Abb. 4.10, rechts). Da die operationalen Einheiten in System S1 innerhalb eines vorgegebenen Rahmens höherer Ebenen autonom arbeiten, sind an manchen Prozessstellen Rückkopplungen bzw. Sprünge zwischen den Rekursionsebenen darzustellen.

Der erstellte Kontrollmechanismus ermöglicht die kontinuierliche Kontrolle und Anpassung des Plattformsystems über dessen kompletten Lebenszyklus. Durch diese Vorgehensweise wird die in den Phasen 1 und 2 entwickelte Modul- und Plattformstrategie also stetig überarbeitet und verkörpert dadurch eine zyklengerechte Modul- und Plattformdenkweise.

Lessons Learned: Entwicklung Kontrollprozess für LZM
  • Für ein ausreichendes Verständnis des entwickelten Kontrollprozesses sollte der Anwender ein fundiertes Wissen über das VSM besitzen.
  • Zur Erstellung eines realitätsgetreuen Kontrollmechanismus sind mehrere Iterationen mit unterschiedlichen Sichtweisen notwendig, da hierdurch viele Unstimmigkeiten aufgedeckt werden können.
  • Einige Funktionen und Ereignisse im Kontrollprozess sollten zu Teilprozessen gruppiert werden, um die Übersicht zu gewährleisten.
  • Die Änderung von Rahmenbedingungen oder Richtlinien in einer Rekursionsebene erfordert eine Einflussanalyse in anderen Ebenen.
  • Barrieren in hierarchischer Denkweise werden durch Denken in Funktionen und deren rekursiver Zusammenhänge überwunden.

Planung des Lebenszyklusmanagements - Bottom Up

Beteiligte Rollen Experten aus strategischen (Marketing, Variantenmanagement, Produktfamilien-Verantwortliche) und technischen Abteilungen (Technik, Entwicklung)
Inputs
  • Daten über Variantenhistorie, Verkaufszahlen
  • Architekturanalysen, prozessuale Änderungsaufwände
Outputs
  • Analysen zum Markterfolg der angebotenen Produktvarianten, erfolgreiche Einzelvarianten und erfolgreiche Markteinführungen
  • Zusätzliche Kosten für die Einführung neuer Varianten während des Produktlebenszyklus
Eingesetzte Methoden

In der Phase des Lebenszyklusmanagements stehen beim Bottom-Up-Ansatz das Controlling und die Steuerung des angebotenen Produktspektrums sowie der Management der Überarbeitungs- und Änderungsaktivitäten im Vordergrund. Beide Aktivitäten und ihre erarbeitete Unterstützung sind im Controlling-Prozess des Top-Down-Vorgehens integriert.

Erfolgskontrolle des angebotenen plattformbasierten Variantenspektrums

Zum Controlling und zur Steuerung des Produktspektrums wird im Variantenmanagement die Laufzeit der Varianten (siehe Phase 1) in Kombination mit ABC- Analysen analysiert. Somit wird einerseits ein Überblick über das aktuell angebotene Produktspektrum (siehe Abb. 4.20, Entwicklungssicht) geschaffen. Anderseits wird der Erfolg der angebotenen Varianten laufend kontrolliert und gegebenenfalls steuernd eingegriffen (siehe Abb. 4.20, Marktsicht). Beispielsweise werden erfolglose Varianten aus dem Markt genommen oder überarbeitet und erfolgreiche Varianten aktiv vermarktet.

Abb. 4.20 Perspektiven der Erfolgskontrolle des Variantenspektrums

Zur Analyse der Entwicklungssicht werden Daten aus dem Produktdatenmanagementsystem verwendet und die Varianten basierend auf deren Markteintritts- und Austrittsdatum visualisiert. Abhängigkeiten wie Vorgänger Nachfolgerbeziehungen oder das parallele Einführen technisch ähnlicher Produkte wird ebenfalls dargestellt . Aufbauend darauf werden in Workshops Einführungs- und Ausphasungswellen identifiziert und charakterisiert. Die Charakterisierung kann dabei folgende Attribute enthalten:

  • Anzahl der in der Einführungs- oder Ausphasungswelle enthaltenen Varianten
  • Neue, ersetzende oder auslaufende Varianten
  • (nicht)vorgeplant
  • Änderungsursache, Ausphasungsgrund
  • Betroffene Merkmale oder Bauteile
  • geschätzter Aufwand

Basierend auf diesen Daten werden die verschiedenen Einführungs- und Ausphasungswellen analysiert, beispielsweise die Häufigkeit der verschiedenen Änderungsgründe, die Anzahl der davon betroffenen Varianten oder Zusammenhänge zwischen (nicht) vorgeplanten Einführungswellen und deren Auslöser. Außerdem können die Änderungsgründe mit den aufgenommen dynamischen Einflussfaktoren verglichen werden und dementsprechend deren Relevanz und Auftretenswahrscheinlichkeit zur Erhöhung der Aussagekraft angepasst werden.

Der Entwicklungssicht gegenüber steht die Analyse des Markterfolgs. Dazu werden, basierend auf Verkaufszahlen, ABC-Analysen aus verschiedenen Perspektiven durchgeführt. Unter Zuhilfenahme der Laufzeiten der Varianten aus der Analyse der Entwicklungssicht werden Kennzahlen wie der Umsatz oder Absatz auf die Variantenlaufzeit normiert. Dadurch ist ein objektiver Vergleich des Erfolgs unterschiedlich lang auf dem Markt vertretener Varianten möglich. Die Analysen können auch aus der Perspektive der einzelnen, variantenbeschreibenden Merkmale durchgeführt werden, um den Erfolg verschiedener Merkmale auf dem Markt zu ermitteln. Weiterhin können die laufzeitbasierenden ABC-Analysen in Bezug auf verschiedene Vertriebsregionen durchgeführt werden. Durch die verschiedenen Perspektiven und Daten kann der Erfolg von Varianten unter verschiedenen Blickwinkeln transparent dargestellt werden. Die Analyse des Markterfolgs kann zum einen mit Daten zu einem gewissen Zeitpunkt durchgeführt werden, andererseits auch mit Datenpunkten zu verschiedenen Zeitpunkten (soweit vorhanden). Demzufolge kann die Entwicklung des Erfolgs von Varianten oder Merkmalen über die Zeit dargestellt, interpretiert und gegebenenfalls gegengesteuert werden (siehe Abb. 4.21).

Abb. 4.21 Exemplarische Analyse des Variantenerfolgs über die Zeit

Abschließend werden die beiden Analyseperspektiven verglichen. Dabei kann der Erfolg verschiedener Einführungswellen mit Hilfe der Erfolgsanalyse bestimmt werden. Dadurch ist es möglich, vergangene interne Reaktionen und deren Beweggründe zu bewerten sowie eine Variantenmanagement-Strategie abzuleiten. Außerdem kann der Erfolg der angebotenen Varianten laufend kontrolliert werden.

Diese Analysen sowie der Vergleich der Ergebnisse sollten zwei- bis viermal jährlich stattfinden und müssen im Variantencontrolling-Prozess verankert sein. Durch die parallele Analyse verschiedener Produktsortimente können auch Kannibalisierungs- und Ablöseeffekte oder Änderungen im Kundenverhalten identifiziert werden.

Aufwands- und Komplexitätskostenbestimmung für neue Varianten

In dieser Phase werden der Aufwand und die entstehenden Komplexitätskosten für neue Variantenanfragen ermittelt, um das Aufwand-Nutzen-Verhältnis zu bestimmen. Das schematische Vorgehen zur Aufwands- und Komplexitätskostenbestimmung für neue Varianten ist in Abb. 4.22 dargestellt.

Im ersten Schritt werden die Arten der Änderungen ausgewählt: Änderungen an einer bestehenden Variante; eine Variante wird ergänzt; oder eine bestehende Variante wird ersetzt. Dann werden die häufigsten Änderungen an Varianten basierend auf historischen Projekterfahrungen verwendet und mit den in akquirierten Strukturmodellen des Produkts verknüpft. Diese umfassen die geometrischen Abhängigkeiten der Bauteile untereinander sowie die Abhängigkeiten der Bauteile zu ihren realisierten Funktionen. Dadurch ist es möglich, die notwendigen Änderungen an Bauteilen und Funktionen mittels Änderungsauswirkungsanalysen↗ zu ermitteln . Trifft eine Änderungsanfrage ein (beispielsweise aus dem Vertrieb), werden anhand der Strukturmodelle die Änderungsauswirkungen und die benötigten Kommunikationswege zwischen den Modulteams identifiziert. Sind alle zu ändernden Bauteile identifiziert, wird in Anlehnung an die Prozesskostenrechnung der Änderungsaufwand je beteiligter Abteilung über deren durchzuführende Aktivitäten und der entsprechenden Dauer bestimmt. Über die standortspezifischen Stundensätze können somit auch die Komplexitätskosten berechnet werden, die durch die Änderung und Erzeugung neuer Varianten über den gesamten Produktlebenszyklus entstehen. Sowohl bei den Aufwänden als auch bei den entsprechenden Kosten werden die einmaligen und laufenden Positionen berücksichtigt.

Abb. 4.22 Schematische Darstellung der Komplexitätskostenberechnung

Mithilfe dieses Schemas ist es möglich, den Aufwand für die Überarbeitung und Pflege des Produktspektrums zu bestimmen und den erwarteten Umsatz gegenüberzustellen, um den zu erwartenden Gewinn zu berechnen. So kann dieses Werkzeug zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung zur Planung und Steuerung neuer Varianten sowie für die Kommunikation zwischen Marketing und Entwicklung genutzt werden. Weiterhin wird es für die Aufwandsberechnung zur Bestimmung der Modul-Roadmap eingesetzt.